Warum?

Guten Tag, sehr geehrte Leser meiner Homepage, ...

ich freue mich sehr, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben. Eigentlich wollte ich einmal ein Buch veröffentlichen, ich habe mich jedoch dafür entschieden, diese Seiten für alle Menschen frei zugänglich zu machen, die das Leid mit mir teilen.

Jeder einzelne Tag mit dir war es wert. Unsere Beziehung war einzigartig, du der große Professor der Wirtschaftsinformatik und ich die kleine Maus, wie du mich immer nanntest, und niemand kann mir meine Erinnerungen nehmen. Ich schicke einen letzten Blick zum Himmel. Die Sterne haben sich schlafen gelegt und du wohl jetzt auch. Und vielleicht, wer weiß, sehe ich morgen Abend wieder in den Himmel und warte auf ein Zeichen von dir. Ein stiller Gruß an Menschen, denen es so ergeht, wie es mir einmal ergangen ist, ...

...und ein seliger Gedanke und eine Umarmung an meinen Claus.

Mein Name ist Cathrin Krüger, ich bin – wie wahrscheinlich viele von Ihnen – eine Zurückgelassene nach Suizid. Mein Verlobter hat sich am 26. November 2008 nach schweren Depressionen das Leben genommen. Acht Wochen vorher hatte er mir einen Heiratsantrag gemacht. Wir waren voller Pläne, bis seine Krankheit von ihm Besitz ergriff. Claus veränderte sich während seiner Depression innerhalb von acht Monaten von einem ruhigen Mann – immer denkend und gewissenhaft in seinem Tun und Handeln – zu einem vitalen, aktiven Mann. Jedoch war dies der Moment, wo seine Krankheit, sein Wahn den Lauf nahm. Er war manisch-depressiv. Und niemand bemerkte es. Ich habe zu keinem Zeitpunkt seiner Erkrankung ernsthaft darüber nachgedacht, dass er sich das Leben nehmen könnte. Wir hatten doch uns und unsere Liebe. Das Leben hat mir gezeigt, dass unsere Liebe manchmal nicht reicht. Als Claus Suizid beging, da lag mein ganzes Leben in Trümmern. Er hat mich und meinen Sohn in einem Scherbenhaufen zurück gelassen.

Wir hatten doch Pläne, wollten eine Familie gründen. Jetzt waren wir alleine und ich gebe ehrlich zu, dass ich zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste, ob ich leben oder sterben wollte. Ich bin wie so viele von Ihnen einen weiten Weg gegangen durch Schuld, Verzweiflung und Angst. Angst, meinem Sohn keinen Halt mehr geben zu können, weil ich selbst meinen Halt verloren hatte. Aber wie Sie sehen, lebe ich noch und ich darf Ihnen versichern, dass es mir gut geht, auch wenn mich der Schmerz oftmals noch einholt. Ich habe inzwischen ein Psychologiestudium aufgenommen und meinen Schwerpunkt auf Trauer und Sterbebegleitung gelegt.
Da ich zu dem damaligen Zeitpunkt auch eine Therapie in Anspruch nahm, möchte ich einen besonderen Dank meinem Sohn aussprechen, der mir mit seinen acht Jahren wie ein kleiner Mann sehr stark zur Seite stand. Einen besonderen Dank auch an Corinna, die Tag und Nacht nicht von meiner Seite wich. Unglaublich, aber wahr: einen Dank der Reha-Einrichtung in Bad Kreuznach. Zu dem damaligen Zeitpunkt kam es mir vor wie eine Strafe. Diese Einrichtung hatte mir sehr geholfen. Dort habe ich mich verstanden gefühlt, bin auf Menschen gestoßen, denen das Gleiche widerfahren ist, habe geweint und auch gelacht. Darum einen herzlichen Dank an Dr. Wilde und Stationsschwester Frau Bauer. Ich kann nur jedem Hinterbliebenen raten, diese wertvolle Hilfe anzunehmen.
Über den Suizid von Robert Enke kam ich mit mehr und mehr Menschen ins Gespräch, die bereit waren, über ihre eigenen vergangenen Suizidversuche und Beweggründe zu sprechen. Diese Gespräche halfen mir, von meinen eigenen Gedanken loszukommen. Meine Gedanken kreisten um: „Er hat sich umgebracht, weil er uns nicht liebte, mich und Tom.“
Er wusste es nicht anders! Wenn du an Suizid denkst, dann denkst du nicht daran, was du anderen antust, du denkst, du erlöst sie vom Ballast, denn als solchen empfindest du dich.

„Vielleicht hat er sich das Leben genommen, damit du leben kannst, das ist auch Liebe.“ Du denkst nicht an das, was nach deinem Tod ist und du hast keine Angst davor, dass es einfach vorbei ist. „Der Suizid bestimmt dein Denken, sonst nichts.“ Es soll einfach aufhören. „Endgültig ausschlaggebend für die Entscheidung kann sein, dass ein Ordner falsch steht.“ Jede Kleinigkeit kann das Ende sein, denn du kannst nicht mehr. Suizid ist keine Entscheidung gegen das Leben oder deine Liebe, sondern eine Erlösung aus einem Zustand, der nicht mehr auszuhalten ist. Ich spürte in mir, dass viele dieser Gedanken auf dich zutrafen, du hattest Angst davor, Ballast zu sein, niemals wieder gesund zu werden, dass die Krankheit so furchbar ist, dass die einzige Erlösung der Tod zu sein scheint. Und ich verstand, dass das Thema Suizid dich schon länger beschäftigt hatte, du es aber nicht aussprechen wolltest, um dir immer eine Lösung für den Ernstfall offenzuhalten.

Mein Buch sollte einmal heißen „Nur ein einziger Zug“. Ein einziger Zug legte mein Leben in Trümmern. Wenn ich an dich denke, bin ich fest davon überzeugt, dass der hellste Stern am Himmel ein stiller Gruß für mich und Tom ist, ich bin überzeugt, dass du über uns wachst. Und über deine Uni, denn als Professor warst du nicht zu übertreffen. Ich nannte dich immer „Mein verrückter Professor“, und damals wusste ich nicht, wie nah Genie und Wahnsinn beieinander liegen. Dieses PDF-Dokument, welches einmal eigentlich ein Buch werden sollte, ist eine Zeitreise durch mein Leben und es tut weh, wenn ich an die wundervollen Erinnerungen denke. Gleichzeitig erfüllt mich aber auch eine unglaubliche Dankbarkeit dafür, dass ich dich kennen und lieben durfte.

Es wird gesagt, dass die Zeit alle Wunden heilt. Daran glaube ich nicht. Zeit lässt alle Wunden vernarben und Erinnerungen entstehen, aber solche tiefen Wunden sind nicht zu heilen. Und das ist auch gut so. Du bist einfach ein großer Teil meines Lebens. Ich liebe dich und werde dich immer lieben. Manchmal sagen mir die Menschen, es wäre besser gewesen, wir hätten uns nie kennengelernt. Das stimmt nicht. Wenn ich dich heute kennenlernen würde und wüsste, dass du dir ein Jahr später das Leben nimmst, würde ich es noch einmal machen.


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